Nicht den Faden verlieren
er verliert aber auch nicht
den faden
nein er verliert nie und nimmer
den faden
selbst wenn die süssduftenden
roseninseln winken*
Der die das Dada hat es mir angetan. Schon einmal davon berichtet tue ich es ein zweites Mal. Das Museum ist so nah und erreichbar. Der Arp auf Armeslänge greifbar. Nicht nur der Arp, auch Tzara, die anderen Kinder und Ball, mit denen ich nicht spielen darf. „Die sind aus Künstlerfamilien“ sagt meine Familie als wären es Fremde oder gar Feinde, vielleicht auch Flüchtlinge, auf jeden Fall eines dieser verbotenen F-Wörter. Ob der Arp jemals hört „lerne was Anständiges“?
nur träumer
vermögen
die schwelle
der beiden reiche
hüben und drüben
aufzulösen*
Die Dichtung Dada wird in literaturwissenschaftlichen Kreisen als „Epochenphänomen“ bezeichnet. In diesem Wort liegt Vergangenheit und Vergänglichkeit, eine Spur Demütigung und Geringschätzung, reichlich Hochmut und so viel Arroganz, dass es kaum auszuhalten ist. Was für eine dichte Atmosphäre, geschaffen von einem einzigen Wort. Da hat sich jemand der Definitionsmacht und Deutungshoheit der Sprache bedient und aus einem Elfenbeinturm „Epochenphänomen“ gebrüllt.
furor poetica
So sei doch Träumerin, fordert mein auf Krawall gebürstetes Gehirn. Furor poetica. Naiv sein, bis das Fass überläuft. Den Faden dabei nicht verlieren. Den verliere ich nie und nimmer. Auch den roten nicht im Fadenkreuz der wissenschaftlichen Ermittler. Der Faden weht im Wind. Wer segelt, kennt den Faden. Man kann sehen, woher der Wind weht. Fünfzehn Faden tief das Gedicht. Vom Faden zum Seemanngarn, das männliche Pendant. So ein Faden hat ganz schön viele Bedeutungen. Können sich die Lautmalerinnen nach Strich und Faden austoben. Sich erinnern an Mutters Worte: „Langes Fädchen faules Mädchen.“ Sie lag ja sowas von daneben mit ihrem Spruch. Unsere Beziehung hing an einem seidenen Faden, eine fadenscheinige Blutverbindung ohne feste Bindung. Keine war Spinne genug ein Netz zu spannen.
Wort und Bild sind eins
Genug des Fadens. An ihm wird deutlich, wie man am Text schwingen kann. Wie Wort und Bild eins sind, ohne eine logische Beziehung einzugehen. Wie sich aus der Bewegung des Schaukelns neue Bedeutungen ergeben. Vielleicht wird ein Gedicht daraus, Wortgestrüpp.
er lässt sich auch nicht
von sternen
die unter den tisch
gefallen sind
durch kitzeln an den fussohlen
aus dem konzept bringen*
*Hans/Jean Arp, Unveröffentliche Gedichte, 1986