Blockbuster seit über 2.000 Jahren
Aufmerksam auf Alabaster werde ich in der Ausstellung „Eine Farbe“. Im Siebengebirgsmuseum stellen Königswinterer Künstler und Künstlerinnen ihre Werke aus. Die Skulptur „Geburt“ von Tuncay Elevis ist aus Alabaster und hat den besten Platz: Mitten im Raum steht sie auf seinem Sockel. Die Geburt scheint sich beim Betrachten weiter zu vollziehen. Die Figur schlüpft aus dem rohen in den geschliffenen Stein, die nackte Haut so weiß wie Alabaster …
Haut wie Alabaster … weich, weiß, samtig, das war ein Schönheitsideal im Barock. Gemälde mit bleichen weißen Frauen, deren fast durchscheinende Haut nie mit der Sonne in Berührung kam. Alabaster ist schon durch seinen Klang eine Verbindung in die Vergangenheit.
Es gibt die Annahme,
dass der Begriff vom ägyptischen Abbaugebiet Alabastron Polis stammt (Wikipedia), ab dem 2. Jhd. n. Chr. Alabastrin, heute Kom el-Ahmar. Der Städtename ist jedoch erst ab dem 3. Jhd. v. Chr. bezeugt und somit jünger als die Bezeichnung der Gefäße aus Alabaster zur Aufbewahrung von Duftstoffen.
- Alabaster heißt nach eben diesen Gefäßen, griechisch »a-labe« = »ohne Henkel«, was die Form der genannten Gefäße beschreibt. Alabastron war ein beutelförmiges schlankes Fläschchen ohne Fuß und Henkel. Es wurde auch aus Alabaster gearbeitet und diente in der Antike und in der frühchristlichen Zeit zur Aufbewahrung von Ölen, Salben und Duftstoffen.
- es handelt sich um Ana(r) bast(et), Stein der Göttin Bastet, Besitzerin von Schminkgefäßen aus Alabaster, als Katzengöttin dargestellte Tochter des Sonnengottes Re. Göttin der Fruchtbarkeit und Liebe, Beschützerin der Schwangeren, Göttin der Freude, des Tanzes, der Musik und der Feste. (Wikipedia)
Bastard als Abkömmling
Die ägyptische Göttin feierte jedes Jahr ein ausschweifendes Fest – das „Bastet-Fest“, „Bubasteia“, auch „Schönes Fest der Trunkenheit“: Musik, Tanz, Wein. „Seine Charakterisierung des Geschehens wird durch ägyptische Quellen untermauert, wie etwa durch eine fröhlich-derbe demotische Versdichtung des 2. Jh. n. Chr., deren streckenweise pornographischer Inhalt offenbar im Zusammenhang mit einem Fest zu Ehren der Bastet und der Trunkenheit steht. Nach diesem Fest nennt man bis heute Kinder mit unbekanntem Vater Bastarde.“
Alabaster und seine Adjektive
Alabaster ist nicht immer weiß. Sein natürliches Farbspektrum reicht von reinweiß, beige und grau über gelb, orange, rosa, blau und grün bis hin zu braun, sehr selten auch schwarz. Alabaster zieht Adjektive an wie das Licht die Mücken. Der Stein kann sein: marmoriert, gebändert, gefleckt, tonig, gefädelt, muschelig, transparent, matt, leuchtend, fettig, wie Glas oder Perlmutt glänzend. Er wirkt geheimnisvoll, erotisch, weich und warm. In der Tat ist er lauwarm – nicht kühl wie Marmor. Er ist ein „monomineralisches Gestein aus monoklinem, mikrokristallinem Gips. Es bildet dichte Massen oder knollige Konkretionen und ist stets feinkörnig und in einer Stärke von wenigen Zentimetern durchscheinend.“ In der Beschreibung scheinen sich seine Bewunderer zu überschlagen vor Begeisterung.
Heilstein für die innere Sammlung
Wer an die Heilkraft von Steinen glaubt, ist mit Alabaster gut bedient: „Alabaster ist besonders für vielseitig interessierte, in ständiger Veränderung befindliche Menschen geeignet, oder für Menschen, die nach Veränderung im Leben streben (monokline Struktur). Er hilft, das eigene Leben in seiner Entwicklung sowie bei Fremdeinwirkungen von außen (sekundäre Entstehung) zu stabilisieren und zu festigen (Sulfat), damit Aufbau und Wachstum möglich wird (Calcium). Dazu können je nach Farbe neutrale Wahrnehmung (weiß), nüchternes Betrachten (grau), mildes Interesse (beige), Initiative und Verstehen (gelb), Wärme und Nähe (orange), Spannung und Antrieb (rötlich), innere Sammlung (braun), distanziertes Betrachten (bläulich), Einfühlungsvermögen (rosa), Harmonie (grün) oder Schutz und Ruhe (schwarz) einen Beitrag leisten.“
Pullover und Wanderschuhe aus Alabaster – made in Italy
Die italienische Stadt Volterra lädt als touristische Attraktion die Menschen in ihre Alabaster-Werkstätten. Alles, was aus dem Stein hergestellt werden kann, wird hier produziert: Von verschnörkelten Pokalen, Lampenschirmen und -füßen, Skulpturen und Schalen gibt es alles, was das Herz begehrt. Der traditionelle Kunsthandwerksbetrieb Rossi Alabastri (seit 1912) stellt auch Objekte her, an die man bei Alabaster zunächst nicht denkt: Koffer, Hemden (wahlweise mit Innenbeleuchtung), Pullover und Wanderschuhe.
„Eine Farbe“
Zurück zur Skulptur in Königswinter. Sie hat mich auf diese Reise ins Alabasterreich geschickt und fast hätte ich eines der beleuchteten Hemden bestellt. Jetzt betrachte ich satt dessen ihre gemischte Struktur aus glattem und rohem Stein – und wieder fallen die Adjektive über mich her. Dieser Alabaster hat es in sich.
Die Ausstellung geht noch bis zum 12. Juni 2016.
Zitate: Das Neue Lexikon der Heilsteine, ©Michael Gienger, Tübingen 2010, Wikipedia Alabaster und Bastet, ägyptische Göttin.