– auch Silbenverschlingerin genannt
Auf dem Rhein bei Königswinter sehe ich regelmäßig die Ruderin. Sie trägt ein rotes Basecap auf brünettem Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden ist. Meistens ist sie im Einer, manchmal sind sie auch zu Zweit oder zu Mehreren.
Ihre Teamkollegen aus dem Ruderclub stromaufwärts überholen sie und schnalzen ein seltsames Insiderruderergeräusch. Es hört sich fast an wie ein Händeklatschen, doch da Ruderer in Aktion nicht in die Hände klatschen können, haben sie dieses Geräusch erfunden. Die Ruderin lacht. Sie weiß, dass sie dank einer sinnvollen auditiven Tradition nicht Rudererin (Ru-der-er-in) ist. Rein logisch wäre das so. Wie immer gab es zuerst die Ruderer und das Wort dafür. Als dann auch weibliches Geschick das Ruder lenkte, wäre die Rudererin fällig gewesen.
Die Haplologie
Dass dem nicht so ist, dafür sorgt die Haplologie. Sie ist eine sprachliche Regel, die zwei gleichlautende Silben in eine Silbe zusammenlaufen lässt. Das wiederum ist kurios, denn eigentlich müsste es Haplogie heißen, wenn der Begriff seine eigene Bedeutung ernst nehmen würde. Tut er aber nicht und damit ist er sowohl Paradoxon als auch Eselsbrücke für das von ihm transportierte Phänomen.
Die Bewunderin und ihre Herausforderin
Nicht nur die Ruderin genießt dieses sprachliche Privileg – auch die Wanderin und die Einwanderin, die Zauberin, die Bewunderin und ihre Herausforderin gesellen sich dazu. Ganz erleichtert bin ich, da die Haplologie auch endlich meine Unsicherheit bei der Verwendung des Ausdrucks Adaptation bzw. Adaption aus der Welt schafft. Adaption ist genau genommen richtiger und alle, die Adaptation sagen, haben von Haplologie noch nichts gehört. Was nicht weiter tragisch ist, wenn sie nicht die Augenbrauen hochziehen, wenn sie Adaption hören. Dieses die Augenbrauen heben lässt einen Zweifel am eigenen Wort aufkommen, der jetzt ein für alle mal beseitigt ist.
Deutsche Amazonenflotte – Rudern mit Schlips und Schnürschuh
Die Ruderin an sich ist also Silbenverschlingerin und Ufervermeiderin. Ihr Einstieg ist ein Steg aus Holz, der übers Ufer hinaus ins Gewässer ragt. Dort legt sie ab und an. Mit jedem Ruderschlag fort von der Anlegestelle verschlingt sie eine Silbe ohne sich zu verheddern. Im Fließwasser haben die Schlingen keine Chance.
Seit 1884 gibt es laut der Chronik des Deutschen Ruderverbands „vereinzelt Frauenrudern“. Die Frauen wollen gerne rudern, aber sie werden nicht in die bereits bestehenden Herrenmannschaftsvereine aufgenommen. Also gründen sie eigene Vereine wie zum Beispiel den Damenruderclub Deutsche Amazonenflotte. Im bürgerlichen Korsett einer strengen Kleiderordnung besteigen sie ihre Ruderboote nur mit „einem langen Rock, einer Bluse, einem Schlips und hohen Schnürstiefeln“.
Einer von nur noch vier Ruderinnen-Vereinen bundesweit ist der Hamburger Ruderinnen-Club von 1925 e.V. Ansonsten rudern Frauen und Männer heute gemeinsam, aber nicht gemischt, also immer noch getrennt nach Ruderern und Ruderinnen und die Frauenteams nennen sich Damenmannschaften.*
*Über den grammatikalischen Fauxpas einer Damenmannschaft stolpert nicht einmal der Duden: Damenmannschaft, die. Substantiv, feminin. Mannschaft, die aus Mädchen und Frauen besteht.