Hoffnung

Philosophisches Dinner IV

Hoffnung5Manche Mädchen werden von ihren Eltern Hoffnung genannt: engl. Hope, span. Esperanza und griech. ελπιδα – eine deutsche Tradition ist das (zum Glück) nicht. Ein Kind mit dem Namen Hoffnung trägt eine Bürde – vielleicht hüpft es aber auch leichtfüßig über blühende Wiesen wie die Verkörperung der Hoffnung selbst. Gebe ich Hoffnung in meine Fotosuchmaschine ein, wirft sie mir blauen Himmel mit Schäfchenwolken, steinerne Engel und grüne Pflanzenkeimlinge in unwirtlicher Wüste aus.

Hoffnung ist das Thema der vierten Runde des Philosophischen Dinners von Karin Schuller und Christina Münk. Nach einmal Das gute Leben und zweimal Liebe steht am vorläufigen Schluss die Hoffnung.

Süße Vorspeise in transparenter Absicht

„Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen.“ (Immanuel Kant)

HoffnungWie immer startet ein ayurvedisches Essen mit einer Nascherei. Eine Süßspeise mit Weinbergpfirsichen. Sie zaubert ein Lachen auf die Gesichter der Gäste. Die Köchin begleitet die zarten Aromen mit der Bemerkung, dass wir nach dem Essen gar nicht mehr in der Lage wären, diese zu schmecken, weil dann die Geschmacksnerven schon gesättigt sind. Im ersten philosophischen Input kredenzt die Philosophin einen Cocktail aus Hoffnungsschimmern: Kant, Bloch, Sartre und ein Spritzer Spinoza. Die Existenzialisten sorgen für Schärfe.

Suppe aus Herbstgemüsen mit irrationaler Schaumhaube

„Die Hoffnung ist das schlimmste Hemmnis für das Handeln.“ (Jean-Paul Sartre)

Hoffnung4Die Suppe wärmt die Hoffnungslosen unter uns. In Gedanken an Sartres Spruch löffeln wir sie in uns hinein. Viele scheinen es aber nicht zu sein, denn es regt sich lebhafter Widerstand gegen das düstere Denken. Was wären wir ohne Hoffnung, sagen die einen, nichts. Ohne Hoffnung kein Leben, bekräftigen die anderen. Die sich ohne Hoffnung wägen, scheinen nicht darunter zu leiden, auch auf ihren Wangen ein rosiger Schein. Was ist die Hoffnung? Die Frage steht im Raum wie das Interesse nach den Zutaten der Suppe. Die Köchin gibt ihr Geheimnis nicht preis und auch die Philosophin schweigt.

Kürbisrisotto und Rosenkohl auf fruchtig nussigen Hoffnungsträgern

„Die Hoffnung ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“ (Friedrich Nietzsche)

Hoffnung2Das Hauptgericht sprengt alle Geschmacksfesseln. Die „Hoffnung auf die Katastrophe, den Untergang, das Auslöschen der Spuren“  bleibt aus. Hoffnung ist ein gutes Gefühl. Es schenkt uns Trost und Zuversicht. Hat die Zukunft im Blick. Fördert das positive Denken. Andere sagen, die Hoffnung ist eine Haltung. Kein Gefühl. Hoffnung muss man nicht, kann man aber haben. Ich sitze am Tisch der Skeptiker. Neige wie sie zu froher Hoffnungslosigkeit. Unsere Heiterkeit zeugt nicht von Verzweiflung. Es scheint, als wären wir frei von der Bürde der Hoffenden. Für einen Moment nur, jetzt und hier. Nicht grundsätzlich, oder doch? Irgendjemand sagt, Hoffnung ist brennende Geduld.

Aus Mitgefühl streut die Köchin leuchtend rote Granatapfelkristalle auf die Teller. Geröstete Erdnusshälften und prallsaftige Rosinen machen den Rosenkohl zu einem Gedicht. Das Mousse aus weißen Bohnen trägt sein Koriandergrün mit Würde. Die sauer eingelegten Quitten halten sich raus aus der Diskussion. Sauer ist nur eine Komponente. Wie ihre Schwestern sitzt sie heute einfach irgendwo mitten uns. Die, die sauer ist. Die süße Jüngste und die scharfe Erstgeborene.

Zum Abschluss eine halbgefrorene Erkenntnis

„Hoffnung Mensch – Eine bessere Welt ist möglich“ Ein Buch von Michael Schmidt-Salomon

Hoffnung7Den Abschluss eines ayurvedischen Essens ist bitter. Es gibt kein Dessert, denn die Süßspeise haben wir schon am Anfang verzehrt. Dafür gibt es ein humanistisches Credo. Ein Glaubensbekenntnis für die Nicht-Hoffnungsträger/innen unter uns. Die bittere Pille für die Zyniker/innen. Mein halbgebildeter Gedanke, dass Hoffnung nur mit Glaube funktioniert und die Erkenntnis, dass sie dann zuletzt stirbt.

Die Philosophin lächelt. Wie immer, gibt es am Ende mehr Fragen als Antworten. Die Köchin nickt ihr zu. Sie haben es wieder geschafft. Ayurvedische Kochkunst von Karin Schuller und philosophische Tischmusik von Dr. Christina Münk. Ein Gesamtkunstwerk, das hoffentlich in eine neue Runde geht.

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