Lebensgeister aufgewacht!

Autobiografie von Gabriele Daum
Schwarz ist Gold

Die dunklen Seiten der Seele zu kennen ermöglicht das Gold glänzen zu sehen – so würde ich den Titel dieses autobiografischen Buches deuten. Der Untertitel – Vom Glück Alkoholikerin zu sein – verrät, worum es geht. Bei der Lektüre wird schnell klar: Es geht um viel mehr. Um eine traumatisierte Seele, eingeschlossen tief im Innern der Autorin Gabriele Daum als Kind, als Jugendliche, als junge Frau und als Erwachsene. Um Sucht in vielen Facetten: Alkohol, Medikamente, Magersucht, Beziehungsabhängigkeiten. Gabriele Daum befreit ihre Seele, doch es dauert Jahrzehnte, bis sich ein von Sucht ungefährdetes Glück einstellt.

Dass sie es überhaupt schafft, verdankt sie nach eigener Einschätzung einer tief in ihr schlummernden „Urkraft, die niemals stirbt, die in ihrem Kern gesund (…) ist“. An diese Kraft zu glauben, sie zu aktivieren und nicht aus den Augen zu verlieren trotz aller Rückfälle und Misserfolge – davon handelt das Buch. Es ist ein Mutmachbuch für alle, die vielleicht nicht daran glauben, dass man sich aus scheinbar auswegloser Dunkelheit ins Licht bewegen kann.

Die Muster der Abhängigkeit

Die Zwölfjährige, schockiert vom Unfalltod ihres Bruders, findet keinen Trost bei ihrer suchtkranken Mutter, sondern genau die Muster, die sie in schwere Abhängigkeiten führen. Ersticken kann sie ihre Einsamkeit mit Medikamenten: Hustensaft, Schmerzmittel, Schlaftabletten. Dazu kommt Alkohol und der Wunsch zu sterben. Sie überlebt ihre Suizidversuche, gerät aber immer wieder in den Sog der Betäubung. Fluchtversuche nach innen folgen Bemühungen, ihr Leben komplett zu ändern: Mit 26 verlässt sie Deutschland für eine Karibikinsel, um ein neues Leben zu beginnen. Der Vorsatz scheitert bereits am ersten Abend. Nach einem halben Jahr ist das neue Leben zu Ende und Gabriele wieder in Deutschland. Therapien, Psychologen, Entzug, Diagnosen, Behandlungen, Selbsthilfegruppen. Die junge Frau gibt nicht auf. Bei den Anonymen Alkoholikern schafft sie schließlich den endgültigen Entzug. Sie hat einen Job, eine Wohnung, ein normales Leben. Doch das Glück will sich nicht einstellen.

Also nochmal von vorn: Sie beginnt konsequent, ihre Seele freizuschaufeln. Macht eine mehrjährige Ausbildung zur Körperpsychotherapeutin, schöpft aus ihrer eigenen Erfahrung und wächst. Entwickelt sich. Sieht das erste Gold glänzen. Am Ende des Buchs – Jahrzehnte sind vergangen – ist Gabriele Daum nicht am Ziel, denn sie beschreibt ihr Leben als ständige Entwicklung. Die dunklen Seiten bleiben schwarze Narben und ziehen dann und wann. Doch sie kennt jetzt das Goldgefühl.

Schwarz und Gold – zwei Seiten einer Medaille

Als Leserin erscheint mir diese Entwicklung wie ein kleines Wunder. Erschüttert und beklommen lese ich mich durch die Süchte, sehe keinen Ausweg. Der rote Faden ist der schwach glimmende Lebenswille, er scheint immer wieder kurz durch und macht weitere Schritte möglich. Sie hat es geschafft, sich ihr eigenes Leben zurückzugeben. Ich habe Gabriele Daum kurz persönlich kennengelernt. Ihre liebenswerte und offene Ausstrahlung lässt nicht vermuten, was sie in ihrem Buch preisgibt. Es erfordert großen Mut, sich derart zu offenbaren. Ihre Autobiografie hat viele Schichten und ich lege sie allen aufmerksamen Leser/innen ans Herz.

Gabriele Daum, Schwarz ist pures Gold, Vom Glück Alkoholikerin zu sein, Books on Demand 2015, 14,90 Euro.

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