Augen zu und durch – eine Anleitung

Schon mal eine Augen-Meditation ins Auge gefasst?
Schon mal eine Augen-Meditation ins Auge gefasst?

Durch eine kleine Tür im Nacken gelangt man ins Innere. Der Weg führt durch das Kontrollzentrum hindurch zu den Sehnerven. Die Stimme sagt geh da durch. Mach dich ganz klein und laufe über den Strang zum linken Auge. Ich balanciere ganz langsam über das sehnige Gewebe. Vor mir öffnet sich eine Kuppel. So ein DreiDKino, eine Sternwarte aus milchigem Plexiglas, das Bullauge eines Schiffes, das sich über die Wogen wölbt.

Im linken Auge

Auge konkavGlaube ja nicht, dass du besser sehen kannst wenn du im Auge bist. Es geht auch gar nicht ums Sehen, sondern ums Wahrnehmen, also um die wahre Empfindung. Die kann ich, bin ich nicht geübt, nicht in Worte fassen. Mit offenem Mund stehe ich in meinem linken Auge und staune, dass es da überhaupt etwas gibt, was wahrzunehmen ist. Es ist anstrengend, in meinem eigenen Innern herumzugeistern und dann auch noch zu artikulieren wie es so ist. Das macht sonst mein Gehirn.

Im rechten Auge

Auge konvexWie ist es so? fragt die Stimme. Gehe jetzt hinüber zum rechten Auge wie über eine Brücke. Wieder tappe ich vorsichtig in die befohlene Richtung. Das rechte Auge ist anders. Es offenbart sich nicht. Will geschlossen, dunkel und zu bleiben. Ich stehe im Augenraum wie inmitten eines Wirbelsturms, rund um mich herum rotiert die Welt und alle Materie, aber an mich klammert sich die Stille. Also verharre ich und atme das Nichts ein, ja, atmen geht. Als kleines Wesen fühle ich mich nicht wesentlich anders als sonst. Wahrscheinlich ist die Menge an Wahrnehmung proportional geschrumpft. Ein bisschen unheimlich ist es. Aber nur, weil ich gerade IQ84 von Haruki Murakami lese und darin die Little People so ähnliche Sachen machen. Schnell renne ich zu der kleinen Tür, um wieder groß zu werden.

Die liegende Acht

Öffne jetzt deine Augen, sagt die Stimme. Alle, die dabei gewesen sind oder so ihre Erfahrungen haben, wissen natürlich wem die Stimme gehört. Derjenigen, die eine Meditation* leitet. Die sich auf Augen spezialisiert hat und meine Brille eine Prothese nennt. Das trifft mich bis ins Bein, denn so habe ich das noch nie gesehen. Eine Krücke, Sehhilfe, Prothese für die Brillenschlange, die zu träge ist, ihre Sehmuskeln zu trainieren. Meinen Beinen mute ich einen Halbmarathon zu, mein Bauch muss ins tägliche Situp und meinen Rücken rolle ich konkav zur Wirbelsäule, mache Faxen gegen Falten – nur die Augen lasse ich links liegen, blinzle zu wenig und klopfe nie die liegende Acht.

Mein Gehirn schüttelt den Kopf. Diese Erfahrung muss es erst einmal verdauen. Doch ich fühle wie es im Hinterkopf schon einen heimlichen Trainingsplan schmiedet. Dieser geführte Abend in meine Augen wird nicht ohne Folgen bleiben.

*Die Meditation dauert ganz im Gegensatz zum vielleicht durch meinen aus der Anfängerinnenperspektive gewonnenen abendfüllenden Eindruck gerade mal 10 Minuten und nicht einen ganzen Abend. Sie ist eine schöne Entspannungsübung für stundenlang auf den Bildschirm starrende und erstarrten Blicke. Immer schön blinzeln. Mindestens 25 Mal in der Minute.

4 Kommentare zu „Augen zu und durch – eine Anleitung

  1. Stilstrategie.de 5. März 2015 — 08:56

    Sehr cool, wo kann man das denn lernen oder mal buchen?

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    1. Peggi Liebisch 5. März 2015 — 09:25

      Ulla Stoll in Sankt Augustin bietet Seminare dazu an, siehe http://www.balance-praxis.de.

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  2. Ich bin begeistert und fasziniert von ihren Erlebnissen und der schönen Meditation. Dass es das auch für die Augen gibt, Klasse!

    Ich bin so dankbar, über das Glück, das meine Klientinnen mit solchen inneren Reisen wieder erleben, wenn sie ungewollt kinderlos sind. Und die kleinen Wunder, dass mehr als die Hälfte der Frauen damit sogar ohne Behandlung schwanger werden.

    Mit solchen Reisen tauschen sich die werdenden Mamas mit ihren Gedanken, Gefühlen und Bildern mit ihrem ungeborenen Baby aus. Mit ganz natürlicher innerer Vorstellungskraft können damit sogar körperliche Komplikationen positiv verändert und die Babys gesund ausgetragen werden.

    Leben wir nicht in einer atemberaubenden Zeit, in der Reisen ins Auge und in die Gebärmutter nicht mehr esoterischer Hokuspokus sind oder wir befürchten müssten, als Hexen verbrannt zu werden. Hightech-Geräte haben auch Gutes: Jetzt haben die jüngeren Forschungsgebieten wie Epigenentik, Psychoneuroendokrinologie und Psychoneurimmunologie und der guten als Neurobiologie bewiesen, dass wir Menschen kleine und große Wunder mit uns möglich machen können.

    Gefällt 1 Person

    1. Peggi Liebisch 23. März 2015 — 08:55

      Liebe Doris Lenhard, ja das stimmt. Es schlummern wohl viele unbekannte Kräfte und Fähigkeiten unter unserer Oberfläche. 🙂 LG

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