Mit einer über 1.000 Jahre alten und stattlichen Burg im Besitz bescheiden zu bleiben, ist beileibe nicht einfach. Das Marketing könnte sich an Mega-Maßstäben messen, bedient aber nur das Mittelalter, um die Menschen anzuziehen. Und ist darum vielleicht eine Art Geheimtipp: Die Freusburg. Schon mal gehört? Schon mal ein Wochenende dort verbracht? Es wäre voller Überraschungen der angenehmen Art.
- Ein paar historische Fakten: Frühmittelalterliche Höhenburg Freusburg, zum ersten Mal im Jahr 913 unter dem Namen Fruodeesbraderofanc erwähnt.
- Ihr baulicher Zustand: Seit 1100 erhalten bzw. wesentliche Teile sind erhalten, d.h. sie wurde nie zerstört, sondern über die Jahrhunderte nur immer wieder renoviert.
- Geografische Lage: Auf einer Bergkuppe hoch über dem Tal der Sieg in Freusburg, einem Stadtteil von Kirchen im Landkreis Altenkirchen (Westerwald), Koordinaten: 50° 49′ 36″ N, 7° 52′ 52″ O.
- Ihre gegenwärtige Nutzung: Jugendherberge (seit 1925) mit ca. 60.000 Übernachtungen im Jahr eine der meistbesuchten Jugendherbergen Deutschlands.
Nach längerem Überlegen, warum der Aufenthalt in den Freusburgmauern so freundlich ist, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Es ist das Vertrauen in die vorübergehenden Bewohner/innen, die, kaum sind sie im Besitz ihrer Schlüssel, schalten und walten können wie sie mögen: Eingewiesen in die logistischen Gegebenheiten genießen sie die Abwesenheit jeglicher Kontrolle und profitieren vom professionellen Geschick der Herbergsmutter. Selten habe ich ein derart kluges und zurückhaltendes Management erlebt. Was spielt es da für eine Rolle, dass die Zimmer nicht Doppel- sondern Zweibettzimmer heißen? Der Komfort fühlt sich an wie vier Sterne.
Natürlich sind viele Kinder da. Jugendliche. Tischtennis, Kicker, Spielesammlung. Das Gemäuer an sich. Vom Keller bis unters Dach acht Stockwerke in Wendeltreppen. Nischen mit alten Bemalungen. Ritter- und Musiksäle. Galerien. Balkone. Erker. Geheimgänge, Knarrende Türen. Alte Instrumente. Holzbalken. Kerker. Zinnen. Wappen und Schilde. Die Kinder erkunden. Die Erwachsenen staunen.
Nachts ist allein die Dunkelheit ein kleines Wunder. Fernab von hellem Licht blinken hier die Sterne. Käuzchen schreien im Wald als gehörten sie mit zum Programm. In der Kammer ist es ruhig, kein Ton von den anderen 198 Gästen zu hören. Vielleicht liegen sie alle andächtig wie ich in ihren Laken und lauschen in die Stille. Denken an die Gespräche im Burghof, wo jemand behauptet, die Burg wäre nur da wenn man sie sieht, sonst nicht. Mit geschlossenen Augen ist das nicht so unwahrscheinlich.
Morgens das Glück wachsweicher Eier. Keine lärmende Menschenmenge, sondern verteilte Grüppchen wohlgesonnener Wandersleut. Oder was die Leute eben tagsüber so machen. Auf den Ottoturm steigen, den Druidenstein umrunden oder vergebens ein Café suchen. Das Umland ist feindlich wie anno dazumal. Lieber schnell wieder zurück in die gastfreundliche Burg Fruodeesbraderofanc. Kann sich keiner merken. Wollen aber alle wieder hin.