Schon die Phonetik des Worts packt die Bedeutung beim Schopf: contra stare wie die Lateiner sagen ist ein krasser Gegensatz. Ich habe eine große Vorliebe für Kontraste – im wörtlichen, also in der bildlichen Darstellung beheimateten Kontext sowie im übertragenen Sinne, der in der Regel immer energiegeladen daherkommt.
Mit Bildern und Worten Kontraste zu setzen bedeutet Aufmerksamkeit zu erzeugen. Dazu reicht es nicht aus alle Register von schrill, groß und bunt zu ziehen, sondern ein angemessenes Maß an Ausdruck zu finden und ein Gefühl für starke Symbole zu entwickeln. Wichtiges soll in den Vordergrund, das Komplexe im Hintergrund als Kulisse dienen. Unser Gehirn reagiert auf starke Kontraste automatisch mit einer höheren Aktivität. Das gilt auch für Geräusche, Musik und Töne – die den Gesamteindruck dann noch emotional verstärken können. Findet allerdings eine Überzeichnung statt, hakt das Gehirn die Darstellung als unwahrscheinlich ab.
Brillanz in Bildern
Früher habe ich in der Dunkelkammer manuell mit Hell-Dunkel-Effekt experimentiert. Das Ergebnis waren Schwarz-Weiß-Aufnahmen fast ohne Grautöne und sie gefallen mir noch heute. Sie erinnern stark an die übertriebene Dramatik der Stummfilmzeit. Seit es in der Digitalfotografie die recht simplen Bearbeitungsprogramme direkt auf der Kamera gibt, schiebe ich den Kontrastregler regelmäßig auf einen höheren Wert als im Original. Dazu noch etwas Farbsättigung und der Pop ist perfekt. Diese Fotos halten wahrscheinlich keinem fotoprofessionellen Urteil stand, sie sind reine Effekthascherei und sollen ausdrücken, was ich persönlich mit ihnen verbinde. Ich setze diesen Effekt mit Absicht ein, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Visual Capture für die Augen, die nicht anders können als interessiert zu gucken weil so sind sie genetisch programmiert.
Glanz gegen Graustich
Ganz besonders sind glänzende Oberflächen, also Gegenlichtaufnahmen auf Flüssen, dem Meer und anderen spiegelnden Flächen. Wenn die Augen die Reflexion des Lichts nicht mehr ertragen und kneifen, entfaltet sich die psychologische Wirkung. Glanz wirkt festlich, erhaben, speziell, ein Highlight, ein Hochgefühl, eine Heiterkeit. Grau ist Entsättigung in Unbunt und das sagt eigentlich schon alles.
Blau kalt Blau warm
Das menschliche Auge meistert den in der Natur auftretenden Kontrast relativ problemlos. Doch das Gehirn stößt bei dem Bemühen, das Gesehene festzuhalten, an teilweise ernüchternde Grenzen. Es kommt mit konventionellen Klärungsversuchen wie hell-dunkel, kalt-warm oder komplementär. Diese Einteilungen sind aber keineswegs allgemeingültig, sondern unterliegen historischen Wandlungen. Gilt heute zum Beispiel Blau als kalte Farbe, galt es im Mittelalter als typisch warmer Farbton. Also das glatte Gegenteil. Aber zurück zum Kontrast und seiner umwerfenden Dynamik, die den Intensitätsunterschied zwischen dem hellsten und dem dunkelsten Punkt eines Bildes beschreibt.
Überzeugende Dynamik
Umgangsprachlich bezeichnen wir als Kontrast alle Wechsel zwischen ruhig/laut, langsam/schnell, fremd/vertraut, spannend/langweilig und so weiter. Während manche Menschen keine schnellen Wechsel wollen, weil ihnen die Umstellung schwer fällt, finden andere gerade den spontanen Umschwung anregend. Sich für kontrastreiche Geschichten oder Darstellungen zu entscheiden, ist eine gründliche Überlegung wert. Unabhängig vom Standard-Spannungsbogen sind Überraschungen und plötzliche Wendungen für eine Geschichte aber oft bereichernd.
Wir kennen das: Im Film –oder Romanplot ist meistens ziemlich klar, wer Held, Schurke, Opfer oder verschmähte Geliebte ist. Selten gelingt eine wirkliche Überraschung wie zuletzt im Film A most wanted Man von Anton Corbijn (2014), bei dem das gesamte Publikum im Kinosaal vibriert. Als Fotograf hat Corbijn seine kontrastreiche Wahrnehmung perfekt in den Plot umgesetzt. Seine Website ist ebenso ein Paradebeispiel im Spiel mit Kontrast. Im Gegensatz dazu kann auch eine höchst vorhersehbare und ruhige Erzählweise eine bleibende Erinnerung hinterlassen, dazu fällt mir Out of Africa von Sydney Pollack (1985) ein, ein episches Meisterwerk, das von seiner Ruhe und grandiosen Landschaftsaufnahmen lebt. Ein schönes Beispiel ist auch das Computerspiel contrast, das seinem Namen alle Ehre macht.
Kontrast ist wie alle anderen Stilmittel Geschmackssache. Es lohnt sich durchaus, beim gleichen Bild oder bei der gleichen Handlung mal mehr und mal weniger Kontrast auszuprobieren, um die beste oder die gewünschte Wirkung zu erzielen.