Die fraglos wichtige Funktion der Füllwörter
Über Füllwörter wird vorschnell geurteilt. Sie werden „Füllsel“ genannt und darin schwingt eine Abwertung. Sparsam verwendet geben sie wie Adjektive jedem Satz eine besondere Note. Ich persönlich bin ein Fan von Füllwörtern – und manchmal ist es gar nicht so leicht, sie als solche zu entlarven. Ihre Erscheinungsformen sind vielfältig.
Sie sind unscheinbare Wörter und schleichen sich in die gesprochene Sprache – aber auch geschriebener Text ist nicht vor ihnen sicher.
Diesen Satz könnte ich auch so formulieren:
Man könnte sagen, sie sind in gewisser Weise recht unscheinbare Wörter und schleichen sich regelrecht in die gesprochene Sprache – aber gerade auch geschriebener Text ist keineswegs vor ihnen sicher.
Partikeln: Füllwörter, Füllsel, Flickwörter
Unsere Sprache hat eine große Zahl an Partikeln. Seltsame Gebilde sind das. In der Grammatik sind sie keine eigene Wortart. Sie kommen immer im Gefolge, sind kontextabhängig, multifunktional und bedeutungsvariantenreich. Mit anderen Worten: Sie sind wichtig!
Die einschlägige Linguistik gesteht ihnen 19 verschiedene kommunikative Funktionen in 8 größeren Klassen zu: Schön zu lesen ist das am Beispiel des Partikel „ja“.
Es gibt ein zustimmendes ja, ein akzeptierendes ja, ein empathisches ja der Steigerung, den Rückmeldungspartikel, Gliederungspartikel, das Gesprächsbereitschaftssignal, den illokutionstransformierenden Sprachhandlungspartikel und das abtönende ja.
Wir können ja zusammen gehen.
Du kannst ja auch mit mir gehen.
Vielleicht können wir ja zusammen gehen.
Du weißt ja, dass du auch mit mir gehen kannst.
Ich gehe immer alleine. Du kannst ja auch mal mit mir gehen.
Wenn du mit mir gehst, brauchst du ja nicht alleine gehen.
Du gehst nicht gerne alleine, das wissen wir ja.
Ach du meine Güte, du gehst ja alleine!
Ja endlich kann ich alleine gehen.
Das ist ja toll, dass du alleine gehst!
Höre ja nicht auf, alleine zu gehen!
Gehe ja nicht alleine!
Ich frage mich, ob du ja alleine gehen kannst?
Ich weiß, was es ja an Mut braucht, um alleine zu gehen.
Dass jeder grundsätzlich ja auch alleine gehen kann, lassen wir einmal außer Acht.
Partikeln sind Phänomene
Als sprachliche Phänomene nehme ich Partikeln wahr und kann sie beschreiben. Wenn ich mich unterhalte oder an einer Diskussion teilnehme, prasseln sie wie kleine Schokopralinen in meinen Schoß – weil ich auf sie sensibilisiert bin. Achte ich nicht auf sie, bleiben sie blass.
Dabei sind sie komplexe Gebilde. Je nachdem, ob ich sie in der Sprechakttheorie, Konversationsanalyse, Diskursanalyse oder Gesprächstherapie untersuche – sie umgarnen mich mit vielfältigen Funktionen und Eigenschaften.
Partikeln sind
prinzipiell unbetonbar „das ist aber schön“
- periphere Elemente des Wortschatzes
- kontextabhängig
- sprechaktangebotmachend
- situationsdefinierend
- metakommunikativ
- textverknüpfend
- satzfärbend
- verstärkend „lass ja die Augen zu!“, „sei bloß still!“
- modale Operatoren
- Einstellungsausdrücke
Modalpartikeln macht die Sprechsituation etwas eindeutiger. Was sie genau bedeuten, ist immer noch nicht ganz deutlich beantwortet.
Wer der ungelösten Bedeutung etwas näher kommen möchte, liest am besten die Doktorarbeit von Min-Jae Kwon: Modalpartikeln und Satzmodus, Untersuchungen zur Syntax, Semantik und Pragmatik der deutschen Modalpartikeln. Aus der wissenschaftlichen Arbeit dingt eine Art von Begeisterung, die ich automatisch teile.
Ich muss schon sagen, zweifelsohne eine geradezu bemerkenswerte Wortklasse, auf die ich selbst nur ungern verzichten würde!
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Ja, nicht wahr?
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