24 KUNSTLICHTER – Adventskalender
Es ist nur … eine schöne Kunstfigur
„Ungebundene Fabulierfreude und eine Phantastik, die sich scheinbar mühelos irdischer Realität enthebt.“ *
An mein Gärtchen kam heut morgen
Ein alt Männchen, ganz voll Sorgen,
Ließ vor mir im Tanz sich drehn
Ach! Ein Püppchen, wunderschön.
Nein, kein Püppchen, es ist nur
Eine schöne Kunstfigur,
Eine kleine Gärtnerin,
Jägerin und Fischerin,
Bäurin, Hirtin und so weiter,
Jede hat besondre Kleider.
Allerliebst, kaum auszusprechen,
Mir wollt schier das Herz zerbrechen
Nach dem schönen Wunderding;
Als es an zu laufen fing,
Als die Räder in ihm schnarrten,
Wollt es zu mir in den Garten,
Lief am Gitter hin und her,
Als ob es lebendig wär-
Und ich glaubt des Alten Schwur,
Dass es eine Kunstfigur,
Dass es keine Puppe sei,
Glaubt, dass dies nicht Unrecht sei.
aus: Clemens Brentano, Gockel und Hinkel
Die Kunstmärchen in diesem Sammelband beschreibt der Herausgeber selbst treffend: „Dichtungen dieser Art, der Fabulierfreude und dem Fabuliertalent ihrer Autoren entsprungen, bedürfen keiner Reiseführung: Entweder vertraut sich der Leser den fliegenden Teppichen der Märchenerzähler an oder nicht – auch der geriebenste Cicerone kann ihn zu einem solchen Transportmittel nicht überreden, und die Wunder, die auf den Reisen begegnen, bedürfen keiner gelehrten Springwurz zu ihrer Erschließung.“
*Quellennachweis: Undine Kunstmärchen von Wieland bis Storm aus: Die Sammlung, Deutschsprachige Literatur in Längsschnitten, Gerhard Schneider (Hrsg.), Hinstorff Verlag, Rostock 1981